Rezension
Achim Schuberts Buch ‘Das Körperbild’ gehört zu jenen Büchern, die in den letzten Jahren wesentlich zur
Integration der Körperarbeit in die Psychotherapie beigetragen haben. Schon im ersten Kapitel,
’Objekt - Subjekt – Dualismus: Körper haben oder Körper sein’, skizziert der Autor den ‚Doppelcharakter unserer
Körperwahrnehmung’ unter Bezug auf die neueren entwicklungspsychologischen und neuropsychologischen Konzepte. Hierzu
gehören die Konzepte des ‚Körperselbst’, der auf der Körperebene stattfindenden Interaktionen im Sinne der
Spiegelneuronen, sowie die wichtigen Beiträge der Bindungstheorie und insbesondere das Konzept des‚
Körpergedächtnisses’, nach dem frühe Traumatisierungen in den tiefen zerebralen Strukturen gespeichert sind.
Solche frühen Traumatisierungen begründen schon zum großen Teil den diagnostischen und therapeutischen Wert der
von Brigitte und Martin Wadepuhl 1990 zuerst beschriebenen und vom Autor weiter entwickelten
Körperbild-Struktur- Methode.
Im Kapitel ‚Diagnostik des Körperbildes’ untersucht der Autor die verschiedenen auf das Körperbild bezogenen
projektiven Verfahren, sowie die Validität und Reliabilität der eigenen Körperskulpturmethode und stellt
sein ‚modulares theragnostisches Programm’, ein aus Modulen in systematisierter Diagnostik- und Behandlungsschritten
bestehendes Verfahren vor.
Die Anwendung der Methode und ihr therapeutischer Nutzen werden anhand zahlreicher klinischer Beispiele ausführlich
demonstriert. Fallbeispiele von Patienten mit körperlichen manifestierten Regulationsstörungen, mit sexuellen
Funktions- und Identitätsstörungen, psychischen und physischen Traumata, mit Depressionen, Schuld- und
Sühnethematik sowie Angststörungen werden geschildert, wobei der Autor stets darauf achtet, dass Symptom und die
Lebensgeschichte dynamisch zueinander korreliert bleiben und die Symbolik der Körperstruktur als Ausdruck der
seelisch-körperlichen Leides begreiflich und bewusst gemacht wird. Wenn auch der eigene Ansatz verhaltenstherapeutisch ist,
verzichtet Schubert auf anschauungsspezifische Einengungen und Abgrenzungen. Das Ergebnis ist eine über die Grenzen der
eigenen Schulzugehörigkeit hinausgehender Ansatz, der schon damit ein Zeichen setzt, dass das Körperliche - in der
Geschichte der Psychiatrie und Psychotherapie selbst abgespaltet, jetzt nicht seinerseits neue Spaltungen hervorrufen sondern zu
schul- und methodenübergreifender Integration anregen soll.
Der integrative Ansatz wird ergänzt durch die ständige Beachtung interpersoneller Erfahrungen und das dadurch
begründete psychodynamische Verständnis von Krankheit und Symptom. Schubert schildert durch die klinischen Beispiele,
wie nicht nur symbolische Körperrepräsentationen und bessere Verbindung zur unbewussten ‚Körpergeschichte’
resultieren, und dadurch psychosomatische Zusammenhänge erkannt werden, sondern auch, wie Kommunikation und Interaktion mit
dem Therapeuten über die Methode entstehen kann.
Schließlich werden die Grenzen der Körperskulpturmethode unter Einbeziehung der Erfahrungen von Hypno- und
Imaginationstherapien (‚Visionen, Zeitreisen’) erweitert, ohne je doch den grundlegenden interpersonellen
Charakter zu verlassen.
Der therapeutische Teil des Buches ist so präsentiert, dass bei aller Knappheit der biografischen methodischen Hinweise der
durch die Anwendung der Körperskulptur erreichbare Gewinn im therapeutischen Prozess sichtbar wird. Die aktive Beteiligung
des Patienten an der Deutung seiner aus dem tiefen unbewussten Körperschema stammenden Skulpturgebilde verleiht der Methode
die besondere Dimension der eigenen Partizipation und Selbstverantwortung des Patienten. Die Körpererfahrung wird damit nicht
nur zur heuristischen Hilfsmethode, sondern zum integrierbaren Bestandteil der beziehungstragenden therapeutischen Erfahrung.
Weitere Vorteile der Methode bestehen in Erfahrungs- und Entdeckungscharakter der projektiven den Körperexploration, der
Konkretheit und Einfachheit der Durchführung der Arbeit mit der Knetmasse, und schließlich im weiten Spektrum der
Indikationen oder ohne nennenswerte Kontraindikationen.
Das Buch kann jedem ambulant oder stationär arbeitenden Psychotherapeuten und Psychiater empfohlen werden. Durch seinen leicht begreifbarem Ansatz und seinen schulübergreifenden Charakter stellt es einen wichtigen Beitrag zur Vertiefung der psychotherapeutischen Diagnostik und Therapie durch Integration auf
die Körperebene dar.
Egon Fabian München http://www.klinik-menterschwaige.de/chefarzt.htm
(2010) Dynamic Psychiatry, Vol. 43, Nr. 237-238, S. 143-145, Berlin.